2015•103 - T E X T:
Es ist das Beste, wenn er sich möglichst lange vertagt.
Mit herzlichem Gruß
Ihr
Dr. Führer
Rheine, d. 21. Juli 17.
Anton Führer verurteilte also die Aufforderung
der Reichstagsmehrheit, einen
Verhandlungsfrieden anzustreben. Hermann
Rosenstengel wurde dagegegen
der Illusion beraubt, er käme zur Fliegertruppe.
„Mein Fliegertraum ist schon ausgeträumt.
Man sagte mir in Gotha, ich sei
zu alt, und es fehle jede praktische Veranlagung.
Das stimmt ja nun leider. Zum
Dolmetsch und Redakteur im Großen
Hauptquartier [in Bad Münster am Stein]
glaubt man mich aber noch gebrauchen
zu können ...“
Dorthin schrieb Dr. Anton Führer:
Borghorst
Rheine, den 28. Aug. 17
Lieber Herr Kollege !
Ihr inhaltreicher Brief wurde mir hierhin nachgeschickt, wo ich mich seit einiger Zeit auf der
Fettwiese befinde. In einem einfachen, bescheidenen Gasthause habe ich eine ganz vorzügliche
Verpflegung zu äußerst mäßigem Preise gefunden, alles in Hülle und Fülle. Einzelheiten
will ich nicht mitteilen, um Sie nicht neidisch zu machen. Dabei hat Borghorst eine sehr schöne
Umgebung, auch abgesehen von dem Burgsteinfurter Lager, so daß es an Gelegenheiten
zu schönen Spaziergängen nicht fehlt. Weil ich endlich keine Bücher mitgenommen habe und
hier auch keine finde, so bleibt die Langeweile nicht aus, die für das körperliche Wohlbefinden
sehr heilsam sein soll. Dafür wurde ich leider in voriger Woche auf furchtbare Art durch die
Nachricht von einem entsetzlichen Unglück aufgeschreckt, das die Familie meiner [zweiten]
Frau [Therese] betroffen hat. Der jüngste Bruder meiner Frau, Amtmann Becker in Hoetmar,
wurde auf der Weide, als er sein Vieh besichtigte, plötzlich von einem Bullen angefallen und
so furchtbar zugerichtet, daß der Tod sofort erfolgte, ein Mann von 45 Jahren, Vater von 6
kleinen Kindern. Es ist unsagbar traurig, und doch muß auch dies ertragen werden. Der ganze
Kreis Warendorf nahm herzlichen Anteil an dem traurigen Geschick dieses tüchtigen und
überaus beliebten Mannes.
Der Schilderung Ihrer Verhältnisse bin ich mit großer Anteilnahme gefolgt. Daß Sie sich in
dieser Lage nicht wohl fühlen, ist mir sehr begreiflich. Wenn Sie auf der einen Seite viele schätzenwerte
Eigenschaften für Ihre jetzige Tätigkeit mitbringen, so widerspricht doch andererseits
diese andauernde Büroarbeit Ihrer ganzen Naturanlage; sie erfordert viel Entsagung.
Aber Sie heben schon selbst hervor, daß viele Tausende diese Stelle […] vergnügt übernehmen
würden; unzählige werden Sie darum beneiden. Sie müssen sich trösten mit dem Gedanken,
daß in diesem Menschheitskampfe jeder ein Held ist, der in treuer Pflichterfüllung auf dem
Posten aushält, auf den er gestellt ist, und je größere Entsagung von ihm gefordert wird, desto
größer ist sein Verdienst, auch wenn er keine äußere Anerkennung findet. Und noch ein
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