2011•105 - T E X T:
gehörte auch die jüdische Dichterin Nelly Sachs, deren von W. Friedrich zitiertes Gedicht Schornsteine dem Leser besser, als jeder erklärende Text es vermöchte, den Ungeist und die verheerenden Folgen jener durch Biedermanns Installation evozierten Schreckensjahre ins Bewusstsein rückt. Überhaupt kennzeichnet alle Texte, die inhaltlich von Bezügen zur NS-Zeit beherrscht sind, ein Ton intensiver Betroffenheit, in der sich die schockierende Wirkung so mancher Bilder widerspiegelt. Eindrucksvoll sind jedoch auch jene Abschnitte, in denen sich der Autor bewusst selber Zurückhaltung auferlegt. So beschränkt er sich im Kapitel über die Topographie des Terrors auf wenige Erläuterungen, um Dietrich Bonhoeffers berühmten, im Hausgefängnis der Gestapo niedergeschriebenen und als Weihnachtbrief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer gesandten Verse Von guten Mächten Raum zu geben. Oder, noch extremer, die Scharnierstelle zwischen dem monumentalen Holocaust-Mahnmal und dem eher verwunschenen Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee, der in achtungsvollem Schweigen nur Vergils berühmter Vers „SUNT LACRIMAE RERUM ET MENTEM MORTALIA TANGUNT. (TRÄNEN RINNEN DEM LEID; UND ANS HERZ RÜHRT MENSCHLICHES SCHICKSAL.) vorangestellt ist.
Auf den letzten 30 Seiten des opulenten Bandes kommen „Berliner Köpfe“ zu Wort, zu denen so bekannte wie Richard von Weizsäcker, Marianne Birthler, Wolfgang Thierse und Klaus Töpfer ebenso gehören wie zumindest außerhalb Berlin weniger bekannte wie Jenny de la Torre Castro, Gregor Hohberg und Sebastian Turner. Mit ihren Aussagen über „ihr“ Berlin runden sie ein überaus kenntnisreiches, von hoher literarischer Sensibilität geprägtes Porträt Berlins als einer Stadt ab, die, wie W. Friedrich in seiner Einleitung ausführt, „…eine Großbaustelle…des Zusammenwachsens und der Integration nicht nur von Ost und West, sondern auch von Nord und Süd [ist]“ und „…aus deren tiefstem Inneren die Botschaft kommt, dass Ausgrenzung und Abschottung, Ignoranz und Herrschaftsgebaren durch die Geschichte widerlegte politische Werkzeuge sind“. All jenen, die diese Botschaft besser verstehen wollen, sei das Berlin-Buch von Hermann Willers und Werner Friedrich wärmstens empfohlen. (Hu.)
(Hermann Willers: Berlin / Texte Werner Friedrich; Coppenrath, 2011; 29,50 €)
|
|