2017•121 - T E X T:
ANFANG DER HUMANISTISCHEN BILDUNG
Humboldt wollte in einem freien Bildungsraum
die Kräfte sich entwickeln
lassen, die den Menschen später zum
verantwortungsvollen und erfolgreichen
Handeln befähigen.2 Der in Münster lehrende
Professor der Pädagogik, Herwig
Blankertz, der 1983 an den Folgen eines
Verkehrsunfalls starb, fasst die Gedankengänge
Humboldts schlagwortartig
zusammen: „Umdrehung des Gesichtspunktes
von den objektiven Anforderungen
des Lebens zum Menschen, Rückbeziehung
der Möglichkeit von Bildung auf
die Individualität, Erfassung der Sprache
als Zentrum des Menschseins, formale
Mediatisierung der Welt zur Bildung und
Erhebung der Bildung zur Voraussetzung
einer menschenwürdigen Welt.“3
Die Grundlage preußischer Erziehung
war die Nationalerziehung im Sinne Johann
Gottlieb Fichtes (1762-1814), nach
dem der Staat nicht „Wachanstalt“ sein
sollte, sondern Erziehungs- und Kulturstaat,
verständlich aus preußischer Sicht
nach den militärischen und politischen
„Erniedrigungen“ durch Napoleon.
Grundlegende Erziehung des jungen
Menschen musste das Elementarschulwesen
sein. Hier sollte die Fähigkeit der
Kinder zur Selbsttätigkeit angestrebt
werden, es sollte vor allem ihre Gleichgültigkeit
gegenüber dem Staat gebrochen
werden. Als Vater dieser Erziehung
galt der Schweizer Philanthrop Johann
Heinrich Pestalozzi (1746-1827), dessen
Methode auf Stabilisierung der preußischen
Gesellschaftsordnung aus war.
Durch die Vermittlung des Heinrich
Friedrich Karl Reichsfreiherrn vom und
zum Stein (1757-1831) setzte Münster
die preußischen Bildungsreformen
schnell um, somit auch in Rheine, auf
dass „Ruhe und Ordnung“ nach der französischen
Fremdherrschaft eintreten
mögen, gleichzeitig aber mit der Möglichkeit
einer Einflussnahme der kirchlichen
Leitung auf das Elementarschulwesen.
Im Sinne der Preußen standen die Elementarschulen
für „Gemüt und sittliche
Erziehung“ und es wurde die Allgemeine
Schulpflicht ab 1814 durchgesetzt, auch
für die in den Fabriken Rheines und auf
den bäuerlichen Höfen arbeitenden Kinder.
Es ist „als das große Verdienst Pestalozzis
hervorzuheben, in der Idee der
Elementarmethode das Kind als ‚Ganzes’
in den Blick genommen und die dem Entwicklungsgang
angepasste Erziehung
sowie den Unterricht in den Bereichen
der geistigen, sittlichen und physischen
Elementarbildung ausdifferenziert zu
haben.“4 Auch für die Provinzen im Westen
des Landes sollten Verständigung,
Gemeinsinn, Sittlichkeit und vor allem
Religiosität die Ziele einer elementaren
Bildung sein.
2Vgl. Wolfgang Klafki: Studien zur Bildungstheorie
und Didaktik, Beltz Verlag,
Weinheim, Berlin, Basel, 19. Aufl. 1970, S.
57 und 75f.
3Herwig Blankertz: Bildung im Zeitalter
der großen Industrie, Schule und Berufsbildung
im 19. Jahrhundert, Schroedel
Verlag, Berlin, Darmstadt, Dortmund
1969, S. 45.
4Renate Hinz: Pestalozzi und Preußen.
Zur Rezeption der Pestalozzischen Pädagogik
in der preußischen Reformzeit
(1806/07 – 1812/13), Haag und Herchen
Verlag, Frankfurt am Main 1991;
vgl. Pestalozzi und Preußen S. 111f., 172,
Steins Pestalozzi-Rezeption S. 175-181.
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