2013•122 - T E X T:
worden.
Er hatte in der Familie die Überlieferung
der Shang-Dynastie (16. Jhdt.-1066) kennengelernt
und außerhalb der Familie
hatte er in „staatlichen“ wie „privaten“
Schulen die Lehren seiner Zeit studiert.
Man unterschied damals drei Arten von
Lehrern, die alle an den Lehensadel gebunden
waren: bao , fu und shi
. Ein Bao war für die Ertüchtigung
des Leibes zuständig. Zu den Sechs Künsten
(liuyi) bzw. den Sechs Zeremonien
(liuyi), in denen er unterwies, gehörten
u.a. Bogenschießen, Wagenlenken, Militärdienst.
Ein Fu hatte für die Hebung der
Moral zu sorgen und ein Shi stand für die
„drei Tugenden“ (sande) und die drei
Verhaltensweisen“ (sanxing), als da sind
Tugend, Benehmen und Pietät bzw. Pietät
(den Eltern gegenüber), Respekt (vor
den Weisen), Dienst (am Lehrer). Man
kann sich leicht ausmalen, daß bei der
Eülle der Unterrichtsgegenstände nicht
ein einzeler das Vorbild aller abgeben
konnte. Um zum Überlieferer von der Antike
bis zur Gegenwart zu werden, hatte
Konfuzius entsprechend bei vielen in die
Schule zu gehen, ob innerhalb oder außerhalb
des Unterrichts.
Gleichwohl mutet uns seine Aussage, in
der Begleitung von mehreren, wird einer
sein Lehrer sein, äußerst bescheiden an.
Zur Zeit des Konfuzius war Überlieferung
hauptsächlich mündlicher Art. Dementsprechend
kamen der Stimme und dem
Ohr eine wichtige Rolle zu. Man vernahm
das Tao und gab es mündlich weiter. Auch
der Ruf eines Lehrers war an das Hörensagen
gebunden.
Obwohl im 20. Jahrhundert Philosophen
wie Martin Buber oder Hans-Georg Gadamer
immer wieder auf die Bedeutung der
Rede für die Menschwerdung verwiesen
haben, ist diese Einsicht bislang nicht für
die Deutung von Konfuzius geltend gemacht
worden.
Wollen wir jedoch den Charakter der Gespräche
recht verstehen, so müssen wir
uns über die Tatsache im klaren werden,
warum in China ebenso wie in Griechenland
die Philosophen zunächst den Dialog
pflegen, bevor sie sich der Darlegung
zuwenden, die keinen Gesprächspartner,
sondern nur noch eine Leserschaft nötig
hat. Menschsein ist Angesprocheneren,
hat Martin Buber befunden. Nur im Gespräch
werden wir zur Person für uns
und für andere, hat Gadamer gemeint.
Wenden wir diese Erkenntnisse auf vermeintlich
unscheinbare Worte von Konfuzius
an, so erscheinen diese in einem
anderen als banalem Licht. Zum Zusammenhang
von Tao und Tod hat der Meister
folgendes zu sagen (Lunyu IV.8). Richard
Wilhelm übersetzt:
Der Meister sprach: »In der Frühe die
Wahrheit [Tao] vernehmen und des
Abends sterben: das ist nicht schlimm«
Von wem dürfte Konfuzius, der sich wohl
in diese allgemeine Aussage miteinbezieht,
die Wahrheit, hier das Tao, erfahren
haben? Sicherlich von einem Lehrer,
denn sonst könnte die Erkenntnis nicht
durch den Tag bis zum Abend tragen. Es
wird kein expliziter Lehrer angegeben.
Dies ist nach obiger Auffassung ja auch
nicht notwendig, da ein jeder aus der
Umgebung des Meisters das Tao vermitteln
kann. Einzige Voraussetzungen sind
eine verantwortungsbewußte Stimme
auf der einen und ein offenes Ohr auf der
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