2017•174 - T E X T:
„Die Stille offenbart alles, was wir nicht sagen können“
Im Wortgefecht: Carla Rogowski als Moderatorin
und Abhijeet Weimer als General.
„Noch 77 Minuten bis zur Steinigung von
Frau Schirakesch“, und bei diesem TVEreignis
will das deutsche Talk-Palaver
natürlich zugeschaltet sein. Im Studio
läuft der Countdown, in geforderter „Realzeit“
von Theresia Walser in eine groteske
Komödie gesetzt, die am letzten
Freitagabend von der Theatergruppe
Pustekuchen vom Dionysianum auf der
Aula-Bühne gezeigt wurde. Und 77 Minuten
vor der Hinrichtung, bis Frau Schirakesch
mit Steinen beworfen wird, „bis
nur noch Matsch übrig ist“ (Moderatorin
der Talkshow), will eine Gesprächsrunde
mit sechs Personen sich einmal richtig in
Stimmung setzen und schon mal die richtigen
Worte zu diesem Event finden. Aber
darin liegt das große Problem, das das
Theaterteam hervorragend darzustellen
vermochte.
Die Regiearbeit von Silke Angermann
und Ulrich Baggemann war so verdeckt
unauffällig wie hervorragend sichtbar.
Sie äußerte sich nicht in spektakulären
Bühnenaktionen, sondern in der Einstimmung
des Schauspiel-Sextetts auf
seine jeweilige Rolle, in der Artikulation
des Walser-Textes mit den dahinterliegenden
Emotionen und der Verlogenheit
verschiedenster Sprechakte. Es war eine
großartige, da anstrengende schauspielerische
Leistung der sechs Schauspielerinnen
und Schauspieler, die ehrliche
Haltung der Charaktere nur durch deren
Sprach-Ton im Proporz-Palaver durchscheinen
zu lassen.
Die Leitung des Talk-Gefechts im Jahre 15
n. Chr.[istiansen] hat die Moderatorin Hilda
Ludowsky, selbstbewusst und kritisch
von Carla Rogowski gespielt. Sie fordert
den Moment der Stille ein, „sie ist mehr
als nur dasitzen“, nicht erkennend, dass
sie die besinnende Stille mit gedankenloser
Pause meint. Sie will Diskussionen
verhindern, „Warum? Ist keine Frage!“,
oder mit Eitelkeit und Ehrgeiz abwiegeln,
denn die Talkgäste brauchen in dieser
„Runde der Unterhaltung“ Unterhaltung,
volltönend, aber leer.
Carla Rogowski trat mit zwei Sprach-
Aktionen in den Vordergrund: Einmal
ihre poetisch verklärte Beschreibung
der Steinigung, und dann ihre visionäre
Schau der menschlichen Erhabenheit, als
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