2019•185 - T E X T:
verändernde Weltlage sah Professor
Münkler in der Aufhebung des Prinzips
der „Binarität“ in der internationalen Ordnung.
„Binarität bedeutet, dass entweder
Krieg oder Frieden herrscht, etwas Drittes
gibt es nicht“, erläuterte der emeritierte
Professor, dessen Forschungsschwerpunkt
die Betrachtung aktueller politischer
Geschehnisse vor dem Hintergrund
historischer Erfahrungen war.
Beim Dreißigjährigen Krieg hingegen
habe es so gut wie keine Kriegserklärung
gegeben, mehrere Friedensschlüsse seien
gescheitert und gerade die zweite Hälfte
der Auseinandersetzungen seien weniger
vom Gegeneinander von Militärs untereinander
als vom Konflikt Militär gegen
Zivilbevölkerung geprägt gewesen. „Erst
mit der westfälischen Ordnung nach 1648
war es möglich, dass Kriege kontrolliert
führbar und ein Instrument der Politik
wurden“, meinte Münkler und bezog sich
auf die Jahrhunderte nach dem Westfälischen
Frieden.
„Das Signum unserer Zeit scheint aber
die Auflösung dieser Binarität zu sein“,
sagte der Professor und nannte das Aufkommen
des internationalen Terrorismus
als Zeichen für einen Zustand irgendwo
zwischen Krieg und Frieden – ein „Tertium“,
wie es Münkler nannte. Schon der
Auslöser des Dreißigjährigen Krieges, der
„Fenstersturz von Prag“ im Jahr 1618,
sei gemessen an den Folgen – der relativ
zur Gesamtbevölkerung gesehen verlustreichste
Krieg der europäischen Geschichte
– eine Marginalie gewesen. „Die
internationale Konstellation machte es
Ferdinand von Böhmen aber erst möglich,
Krieg in Böhmen zu führen“, sagte Münkler.
Die sich anschließenden Auseinandersetzungen
hätten sich dann in vier Dimensionen
abgespielt – es sei um Fragen der
Verfassung, der konfessionellen Bündnisse,
Staatenkriege und hegemoniale Bestrebungen
gegangen.
„Und die Beendigung des Kriegsgeschehens
war 1648 nur möglich, weil auf allen
vier Ebenen des Krieges Kompromisse gefunden
wurden, die untereinander kompatibel
waren“, analysierte Münkler. „Aus
den Problemen bei der Beendigung des
Dreißigjährigen Krieges kann man lernen“,
meinte der Politologe etwa mit Blick auf den
Syrienkrieg, für dessen Beendigung man
seiner Meinung nach eine Agenda entwickeln
müsse. „Mit einem schlichten Treffen
älterer Herren, die während einer einzigen
Konferenz einen Frieden aushandeln, wird
es nicht getan sein“, prophezeite Münkler.
Mit 240 interessierten Zuhörern war die
Aula der Volkshochschule und Musikschule
sehr gut gefüllt beim Vortrag von Professor
Münkler.
MV, 14. März 2019
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