2019•187 - T E X T:
von kanonisierten Größen („Der
große Tucholsky-Abend“) über Epochenschwerpunkte
(„Das Frauenbild
der Zwanzigerjahre in der Literatur“)
bis hin zu historischen Ereignissen wie
dem Holocaust („Adressat unbekannt“)
reichte. Letztere Lesung war den beiden
ein besonderes Anliegen: „Nach diesem
Abend über das NS-Regime gingen viele
Besucher betroffen nach Hause“, berichtet
Krüger. „Aber auch das darf und soll
Literatur: Menschen bewegen und zum
Nachdenken anregen.“
Jedes Thema, das Winter und Krüger auswählten,
habe sie auch selbst gereizt, wie
sie betonen. Vielleicht ist es auch das, was
ihre Lesungsreihe so erfolgreich macht
– die bedingungslose Liebe der beiden
Männer zur Literatur. Krüger entdeckte
seine Begeisterung für das geschriebene
Wort, als ihm seine Mutter im Kindesalter
stets Bücher aus der Bibliothek zum
Lesen gab. Für Ingmar Winter gab einst
Karl May den Anstoß: „Als ich zwölf war,
bekam ich das Buch ‚Die Sklavenkarawane“
geschenkt und las es in einer Nacht
komplett durch“, sagt er und lächelt verschmitzt.
„Da habe ich gespürt, wie sehr
Literatur fesseln kann.“
Stets sprachen die beiden ein breites
Publikum an, auch eine Lyrikstunde im
Radio und das Mitwirken an einem Film
gehörte zu ihrer „ReciTour“-Karriere.
Doch die größte Anerkennung, berichten
sie, sei es, wenn die Menschen nach der
Lesung fragen, wo sie etwas nachlesen
können. „Letztlich geht es uns ja immer
darum, zu zeigen, wie schön Sprache sein
kann“, sagen sie. „Beispielsweise Lyrik
ist das, was wir immer erreichen wollten,
die Menschen für diese Wirkung zu sensibilisieren.“
Ingmar Winter und Jochen Krüger gehen
allmählich auf das 80. Lebensjahr zu.
Ein paar Jahre bleiben ihnen bis dahin
noch, um mit ihren „Best-of-Lesungen“
gebührend Abschied zu nehmen, „bevor
wir als alte Säcke gelten“, wie sie lachend
anmerken. Und dann? „Da bricht nichts
weg“, betont Winter. Es sei „eine tolle
Zeit“ gewesen – darauf blicke man gern
zurück.“ Und eines wird auch dann noch
unverändert bleiben, wenn das Duo sein
letztes Wort auf einer Bühne gesprochen
hat: Ihre Begeisterung für die Wortkunst.
„Literatur, das ist wie ein Lebenselixier“,
sagen sie. „Wenn wir davon auch nur ein
klein wenig weitergeben konnten, dann
haben wir alles richtig gemacht.“
MV, 23. Februar 2019, Kristina Sehr
Es war eine tolle Zeit. Letztlich geht es uns darum,
Darauf blicken wir zu zeigen, wie schön Sprache
gern zurück. sein kann.
Ingmar Winter Jochen Krüger
Jochen Krüger ist Abiturient des Jahrgangs 1963.
Dr. Ingmar Winter war von 1971 bis 1978 als Lehrer am Dionysianum tätig.
Beide sind aktive Mitglieder des VAD.
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