2017•197 - T E X T:
Der Mann für die harten und kniffeligen Fälle
Raimund Gausmann ist seit einem Jahr städtischer Beigeordneter für Schule, Jugend, Familie, Soziales, Migration und Integration
Seit ziemlich genau
einem Jahr führt Raimund
Gausmann einen langen Titel
als Berufsbezeichnung: „Beigeordneter
für Schule, Jugend,
Familie, Soziales, Migration
und Integration“ heißt
es auf dem Türschild in der
dritten Rathaus-Etage, wo die
Führungsspitze der Rheiner
Stadtverwaltung ihre Büros
hat. Schräg gegenüber ist der
Sachbearbeiter für die Erhebung
der Vergnügungssteuer
untergebracht.
Zufall? Raimund Gausmann
lacht: „Ich glaube
nicht, dass der Job vergnügungssteuerpflichtig
ist. Von
daher passt das, denn so
kann ich keine Steuern hinterziehen“,
sagt der städtische
Dezernent, der am 1. März
vergangenen Jahres seinen
offiziellen Dienstbeginn in
der neuen Funktion hatte,
mit einem Augenzwinkern.
Mit dem ihm eigenen sachlich-
trockenen Humor fügt er
hinzu: „Was die nähere Bedeutung
angeht, müssten wir
die Raumplaner fragen, ob
sie sich etwas bei der Zuordnung
gedacht haben. Auszuschließen
ist das natürlich
nicht.“
An und für sich ist der 55-
Jährige, der 1987 seine Laufbahn
im Rheiner Rathaus als
Praktikant für Sozialarbeit
begann, ein Mann für die
harten und kniffeligen Fälle
gewesen. So verantwortete er
im Jugendamt viele Jahre
lang den Bereich, wo die Behörde
schnell handeln musste,
wenn es um Gefährdungen
des Kindswohls ging.
„Die Herausnahme von Kindern
aus den Familien ist natürlich
immer hart“, erinnert
er sich an Fälle, wo seine Mitarbeiter
und er feststellten,
dass Kinder massivst vernachlässigt,
misshandelt oder
missbraucht wurden. „Das
hat Belastungen mit sich gebracht“,
sagt Gausmann.
Auch die Situation kurz vor
Weihnachten, als ein Flüchtling
einen Anschlag in den
Büros der Fachstelle für Migration
im Rheiner Rathaus
versucht hatte, sei so eine
schwarze Stunde gewesen, in
der Gausmann ganz vorne
war, als es um die Verantwortung
ging. „Das sind so Momente,
in denen man feststellt:
Es gibt in dem Job
auch belastende Faktoren“,
sagt der Sozialdezernent, der
innerhalb der Stadtverwaltung
einen steilen Aufstieg
hingelegt hat, obwohl er von
der Grundprofession Sozialarbeiter
und weniger Verwaltungsspezialist
ist. Er selber
bezeichnet seine Karriere als
„konsequente Weiterentwicklung“.
Dass Gausmann jetzt seit
einem Jahr Mitglied des Verwaltungsvorstandes
im
Rheiner Rathaus ist, hat für
ihn einiges verändert. Auch
wenn er als Fachbereichsleiter
Familie und Soziales in
den Jahren zuvor schon eng
mit den Themen vertraut
war, zu denen sich allerdings
mit dem Bereich Schule noch
ein dicker Brocken hinzugesellt
hat. „Es ist jetzt ein deutlich
politischerer Job“, sagt er.
Anders als früher, als er sich
innerhalb der Verwaltung
hauptsächlich im operativen
Bereich bewegte, sei jetzt
strategisches Denken gefragt.
Sein erstes Jahr als Beigeordneter
sei sehr stark vom
Thema Integration und Migration
geprägt gewesen. „In
2015 und in den ersten Monaten
2016 hatten wir sehr
viel Zuwanderung“, blickt er
zurück. Dabei sei es der Stadt
sehr gut gelungen, die
Flüchtlinge unterzubringen.
„Wir konnten auch recht zügig
die Turnhallen wieder
freiräumen“, ergänzt er. Die
eigentliche Aufgabe habe
aber jetzt begonnen – die Integration
der vielen Menschen
aus Kriegs- und Krisengebieten.
Mit der Fachstelle
für Migration und Integration
habe die Stadtverwaltung
eine neue Organisationseinheit
geschaffen, der
Rat werde voraussichtlich
Ende Mai ein Integrationsund
Migrationskonzept verabschieden.
„Ich sehe uns da
auf einem guten Weg“, meint
der Beigeordnete.
An Themen mangelt es
dem Dezernenten mit dem
größten Budget innerhalb
des städtischen Haushaltes
nicht. Der Ausbau der Kinderbetreuung,
eine neue Gebührenordnung
für die
Stadtbibliothek, die Diskussion
um die Reduzierung des
Zuschussbedarfs bei Musikschule
und VHS, die Herausforderungen
im komplexen
Bereich Schule sind alles
Baustellen.
Gausmann sieht sich dabei
durchaus getragen vom
„neuen Miteinander“, von
dem im Rat und in der Verwaltung
seit der zurückliegenden
Bürgermeisterwahl
viel die Rede ist. „Ich habe eigentlich
immer ein Miteinander
erlebt“, betont der erfahrene
Wahlbeamte. Dass er
– höchst ungewöhnlich für
eine Beigeordnetenwahl –
ein einstimmiges Ergebnis
bei drei Enthaltungen für
sich verbuchen konnte, wertet
er als Vertrauensbeweis.
„Ich möchte das Miteinander
und pflege es auch“, unterstreicht
er. Natürlich gebe es
in der Politik immer mal
wieder unterschiedliche Auffassungen.
„Aber ich möchte,
dass wir miteinander reden,
um die beste Lösung zu finden“,
sagt er. Dabei spiele
Vertrauen eine große Rolle.
„Ich versuche, gegenüber der
Politik Vertrauen auszustrahlen,
wie im Übrigen auch gegenüber
meinen Mitarbeitern“,
nennt er sein Credo
und setzt in der für ihn typischen
Weise bescheiden hinterher:
„Das scheint zu gelingen.“
MV vom 04.03.17
Raimund Gausmann
Ein Jahr Beigeordneter
Abi 1981
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