2009•020 - T E X T:
Bildhauer die Symbole der vier Kardinaltugenden dar. In den Schriftbändern des darüber liegenden weitaus schmaleren Rings sind sie benannt: Klugheit, Mäßigung, Gerechtigkeit, Tapferkeit. Der dritte Ring gibt den Hinweis auf den Brunnenstifter: Vierfach ist den Ring das Kolpingemblem eingegossen. Ein vierter Ring begrenz die Brunnensäule. Er fand seine Prägung dadurch, dass - teils eindeutig erkennbar, bisweilen stilisiert - Motive aus dem Stadtbild von Rheine eingeprägt wurden: Dionysiuskirche, Antonius-Basilika, Ems und Emsbrücke, Kolpinghaus, Rathaus, Saline und den ein Pferd beschlagenden Schmied, Hinweis auf Handwerker-Kolpingssöhne und zugleich für den Künstler Erinnerung an seinen Vater, der in Oberschlesien das Schmiedehandwerk ausübte.
Joseph Krautwald prägte die vier Motivringe unterschiedlich breit aus; der dominierende ist der untere, der Ring der Kardinaltugenden. Seine Anordnung und Dimensionen heben seine tragende Position hervor. Er bildet die Grundlage für die über ihm angeordneten Reliefringe und lässt die Frage aufkommen, warum sie hier herausgestellt sind, was sie bedeuten für den Brunnenstifter und seine Tätigkeit im Rahmen bürgerschaftlicher Verantwortung für Kirche und Stadt.
Kardinaltugenden werden sie genannt nach dem lateinischen Wort cardo. Da mit bezeichneten die Römer zum einen die kürzere der beiden Hauptstraßen ihrer Garnisonstädte, zum anderen die Türangel, in denen die Türflügel getragen und bewegt werden. Von diesen in der Regel vier Angelpunkten einer repräsentativen zweiflügeligen Tür wurde die übertragene Bedeutung der vier Grundtugenden,die wie die Türangel Stütze, Halt, Aktion ermöglichen und Festigkeit verleihen, abgeleitet. Vornehmlich seit dem hohen Mittelalter gelten in Theologie und Philosophie die vier Kardinaltugenden als tragende Säulen des Denkens, Planens, Tuns und Verhaltens der Menschen. Das bonum commune, das Gemeinwohl, so lehrt Thomas von Aquin, wird durch auf der Basis der Kardinaltugend aufgebautes Leben getragen. Josef Pieper hat darüber in seinem "Viergespann" (9) Erhellendes geschrieben.
Hier liegt die Begründung, warum die Kolpingsfamilie, der Brunnenschenker, durch dies Bildwerk und seine Symbolsprache die Beschenkten, die Rheinenser Stadtgemeinschaft und die Stadtbesucher, ansprechen und anregen möchte. Hinweis auf die Kardinaltugenden ist das eine; dass sie im Wandel der Zeit bis heute ihre Aktualität nicht verloren haben, sondern auch heute noch das Miteinander in einer Stadtgemeinschaft ordnen helfen, ist der andere Gesichtspunkt, aus dem Existenz, Form und Fassung des Brunnens erwuchsen. Joseph Krautwald vertrat den Standpunkt:
"Die Kardinaltugenden haben ewig Bestand." Sein "Tugendbrunnen" soll diesen Gesichtspunkt, den er durch die Gedanken Josef Piepers in dessen umfangreichen Schrifttum gefestigt sah, unterstreichen. Übrigens: Beide, der in Rheine tätige Bildhauer Joseph Krautwald wie auch der in Rheine-Elte geborene Philosoph Josef Pieper waren Träger der Goldenen Stadtmedaille, der höchsten Auszeichnung, die Rheine für verdienstvolle Bürger zu vergeben hat.
Die Bilder und Symbole am Kolpingbrunnen in Rheine regen zum Nachdenken
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