2009•031 - T E X T:
eurer Schultaschen, die seltsamerweise mit wachsenden Kräften eurerseits von Jahrgangsstufe zu Jahrgangsstufe immer leichter wurden.
Auf Eurem Weg zum Abitur wurde von euch nicht nur eine gewisse Sportlichkeit gefordert, sondern auch eine Menge Verstand. So musstet Ihr in 9 Jahren 191 Klausuren in diversen Schwerpunkt-Fächern schreiben, von denen 43 Klausuren Abitur relevant waren, und eine mündliche Abiturprüfung überstehen.
Zum Glück gab es die Schulpausen. Jeder von euch hat 3510 Pausenbrote gegessen und beim Hausmeister diverse Süßigkeiten gekauft. Bei - angenommen - zwei Kinderriegeln pro Schultag habt ihr während der 9 Jahre 3510 Kinderriegel gegessen und somit, man höre und staune, dafür etwa doppelt so viel Geld ausgegeben wie eure Eltern für die Anschaffung eurer Schulbücher.
Zu guter Letzt musstet ihr 18-mal Euer Zeugnis entgegennehmen, die einen mit Bangen, die anderen mit freudiger Gespanntheit. Ihr habt insgesamt 54 Noten für eure Leistungen bekommen. Und heute muss keiner von euch mehr zittern, euer Einsatz hat sich gelohnt, ihr alle habt euer Abitur bestanden und dazu möchte ich euch ganz herzlich gratulieren!
ANSPRACHE DES SCHULLEITERS
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
Die Ansprüche sind unmenschlich im Informationszeitalter. Mit dieser Feststellung beginnt ein am 8. Dezember 2007 in der FAZ erschienener Aufsatz über Multitasking, eine Fähigkeit, die immer häufiger in Stellenangeboten als Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung genannt wird, wie das folgende von der FAZ zitierte Beispiel illustriert: Als Personaldisponentin zeichnen Sie sich durch vorausschauendes Planen, Koordinieren und Multitasking aus. Ein neuer Begriff, der, wie man vermuten möchte, so wie Handy, Servicepoint und Free Call zu jenen denglischen Wortungetümen zählen könnte, die in den vergangenen Jahrzehnten unsere Sprache überschwemmt haben. Dies ist jedoch nicht so. Multitasking ist im angelsächsischen Sprachraum durchaus geläufig und bedeutet umgangssprachlich nichts anderes als die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Longmans Dictionary of Contemporary English erläutert den Terminus übrigens mit folgendem Beispielsatz: Women are traditionally supposed to be good at multitasking. So stelle ich mir also konkret vor, dass eine von Euch, liebe Abiturientinnen, in einigen Jahren als Abteilungsleiterin oder Geschäftsführerin gleichzeitig Emails liest oder beantwortet und am Telefon mit einem Geschäftspartner neue Vertragsbedingungen aushandelt. Man sage nicht, dies sei eine wirklichkeitsferne Vorstellung. Derzeit ist Multitasking absolut in Mode, und gerade Führungskräfte hinterfragen den Begriff und die Anforderungen selten, bemerkt Florian Koenen von der Topos Personalberatung in Hamburg. Dass Multitasking jedoch für den Menschen wenig bekömmlich und zudem leistungsmindemd ist, betonen Himforscher und Psychologen unisono. Und wenn der Aachener Kognitions- und Experimentalpsychologe Iring Koch fest stellt, dass "man zumindest strenggenommen niemals zwei Aufgaben zur gleichen Zeit erledigen" könne, so sollten wir uns bewusst machen, dass selbst der von uns so bewunderte Computer dies nicht wirklich vermag. In der Computerwissenschaft bezeichnet Multitasking die vermeintliche Fähigkeit eines Betriebssystems, mehrere Prozesse gleichzeitig durchzuführen. In Wirklichkeit jedoch werden im Hauptprozessor verschiedene Arbeitsprozesse zwar wechselseitig aktiviert, aber immer nur seriell, also in einer bestimmten Reihenfolge durchgeführt. Das atemberaubende Arbeitstempo des Rechners hat dann dazu geführt, dass Multitasking in einer anderen Bedeutung, um noch einmal Longmans DCE zu zitieren, als "a computer's ability to do more than one job at a time" verstanden wird. Streng genommen ist also auch der Computer nicht in der Lage, paralleles Multitasking zu bewältigen.
Für das Verständnis von Multitasking hilfreich ist nun die Tatsache, dass der Begriff aus dem Computerbereich stammt und von dort auf menschliches Verhalten übertragen wurde. Offenbart sich nicht bereits in diesem Prozess der Bedeutungserweiterung der anmaßende und zugleich törichte Wunsch des Menschen, eine Maschine in ihrer unerreichbaren Schnelligkeit als Vorbild zu nehmen? Ist Multitasking nicht zudem ein Auswuchs jenes unsere Zeit beherrschenden Schnelligkeitsglaubens, der,
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