2019•050 - T E X T:
Selbst-Lern-Zentrum am Dionysianum
Erste Betrachtung
Der Mensch ist in der Gemeinschaft geschaffen,
er schöpft aus ihr, er definiert
sich mit ihr und all seine Erkenntnisse
aus seinem Streben führen einflussnehmend
in die Gemeinschaft zurück. Das
aus sich selbst lernen ohne äußere Einflüsse
wäre theoretisch die Erfahrung aus
dem Selbstversuch im isolierten Lebensraum.
Das Lernen aus den Erfahrungen
anderer ist der andere mögliche Weg. Das
Lernen wäre dann das Innehalten und Reflektieren
der äußeren, auch räumlichen
Eingebung und die Schlussfolgerung und
Anwendung das Lernen aus sich selbst
heraus.
Zweite Betrachtung
Der Wunsch allein zu sein und das Bedürfnis
dabei in sich selbst zu ruhen, entsteht
in dem Moment, wo wir nicht allein
sein können oder wo uns der Mut fehlt,
in sich selbst zu ruhen; geschweige denn
den Raum wahrzunehmen, wo das möglich
wäre. Was aus dieser Betrachtung
heraus die angemessene Form für ein
Selbstlernzentrum sein könnte, an einem
vorbestimmten Ort, in einer vorbestimmten
Geometrie, ist die von uns zu lösende
Aufgabe.
Dritte Betrachtung
Wenn ich spontan persönliche Vorstellungen
von einem Selbstlernzentrums
formulieren dürfte, sähe ich mich allein
in einer Klosterzelle sitzen, in Gedanken
das bisher Erlebte resümierend und reflektierend
nach vorne schauend. Das
würde der ersten Silbe „Selbst“ eventuell
gerecht. Wäre dem „Lernen“ zwischen
dem Reflektieren und Vorausschauen genüge
getan, fehlt die dritte Silbe im Begriff,
das „Zentrum“. Ist das Zentrum mit
der Verortung in einer Mitte eines Ortes
erschöpfend beschrieben, ist das Zentrum
ein Ort des Austauschs und dadurch im
Wiederspruch zur Klosterzelle oder eben
die Notwendigkeit, da das Lernen nur im
Miteinander funktioniert?
Vierte Betrachtung
Versucht der Begriff Selbstlernzentrum
die Angst zu nehmen, weil das Lernen
die Abhängigkeit des Zuhörens und des
Generationsaustausches beinhaltet, der
unserer Definition von Freiheits- und
zwanghaftem Individualisierungsdrang
im Wege steht? Ist ein Selbstlernzentrum
ein Ort, der den Wissensaustausch von
einer Form von Autorität befreit und das
Miteinander fördert und das Lernen erst
wieder möglich macht?
Die Auseinandersetzung mit Begrifflichkeiten,
die Formulierung von Inhalten aus
Begrifflichkeiten, die Erwartungen und
Begehrlichkeiten offerieren, ist schwierig
und führt nicht unbedingt zu angemessenen
Ergebnissen. Als Architekt ist die
Suche nach den zielführenden Fragen
nicht der Kern der Aufgabe, sondern der
Anfang. Wir können unsere Aufgaben nur
materiell lösen, wir müssen Entscheidungen
treffen und sie ausführen.
„Die einzige Möglichkeit die Dinge zu verstehen,
ist es, sie zu tun.“ Bruce Naumann
Über die Begrifflichkeiten und im Austausch
mit den Nutzern und Auftraggebern
können wir versuchen, die Aufgabe
zu erfassen. Für die Umsetzung der Aufgabe
müssen wir den Ort verstehen, denn
es gibt keine unberührten, unschuldigen
Orte. Jeder Eingriff, jede Veränderung
schreibt das Vorgefundene fort. Alle Lösungen
sind in den Orten schon enthalten
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