2010•053 - T E X T:
Verabschiedung Frau Erika Schindler am Freitag, dem 29.01.2010
Liebe Frau Schindler,
ich schließe nicht nur nicht aus, sondern halte es eher für sehr wahrscheinlich, dass Sie sich in den kommenden Monaten des öfteren mit einer dem folgenden Szenario vergleichbaren Situation konfrontiert sehen:
Sie machen, wie und wo auch immer, die Bekanntschaft von netten Leuten, mit denen Sie in ein zwangloses Gespräch eintreten. Irgendwann kommt die Rede auf Berufliches, und man wird Sie fragen, in welchem Bereich Sie arbeiten, wo Sie beschäftigt seien.
Und wenn Sie dann mitteilen, dass Sie pensionierte Sportlehrerin seien, wird ungläubiges Staunen einsetzen. Sie werden in neugierig fragende Gesichter schauen, da man Ihnen den Pensionärsstatus nicht abnehmen wird. Schließlich kennt man doch die eine oder andere ehemalige Sportlehrerin, aber der Rentnerinnenstatus dieser Damen ist so eindeutig, dass man ihnen entweder eine Kur in einem nahegelegenen Luftkurort oder aber zumindest die Teilnahme an einem Gymnastikkurs in der VHS anraten möchte.
Und wenn Sie dann, um sich zu erklären und alle Missverständnisse auszuräumen, darauf hinweisen, dass Sie immerhin 37 Jahre als Sportlehrerin gearbeitet haben, ja, spätestens dann werden die Spekulationen über Ihr Alter beginnen, aber damit werden Sie dann genau so gut fertig werden wie mit Ihrem Beruf, den Sie mit dem heutigen Tage – auch zu unserem Erstaunen und vor allem auch zu unserem Bedauern – an den berühmten Nagel hängen wollen, obwohl der Kalender dies eigentlich noch nicht verlangte. (Nach zweijähriger Tätigkeit am Gymnasium in Georgsmarienhütte kamen Sie am 1. August 1974 an das Dionysianum.) Was, so bleibt zu fragen, war das Geheimnis Ihres beruflichen Erfolgs? Die Antwort ist einfach und plausibel. Sie waren eine sehr erfolgreiche, von unseren Schülerinnen und Schülern und den Kolleginnen und Kollegen – und da denke ich keineswegs nur an Ihre Fachschaft – geschätzte Lehrerin, weil Sie in jeder Hinsicht glaubwürdig waren.
Glaubwürdig nicht nur in dem vielleicht spontan assoziierten Sinn, dass auf Ihr Wort, z.B. Ihre Zusage, mal wieder zu helfen, sprich Unterricht zu vertreten, Verlass war. Nein, Sie waren darüber hinaus eine glaubwürdige Vertreterin Ihres Faches, insofern Sie den Sport fast wie eine Art Lebensform verinnerlicht hatten: die Liebe zur Bewegung; den Wettkampf, sei es im Team oder aber im direkten Vergleich mit einem oder mehreren Konkurrenten; und bei all dem die Einübung von Fairness, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft. Und wenn die Sportdidaktik seit einiger Zeit die Gesundheitsvorsorge als eine vorrangige Aufgabe des Unterrichts herausstellt, so war die Vermittlung dieses Leitziels für Sie eigentlich immer eine Selbstverständlichkeit.
Und Ihre Schülerinnen und Schüler wussten bei Ihnen ja stets, dass Sie das, was Sie im Unterricht vermittelten, im wahrsten Sinne des Wortes vorlebten, und zwar
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