2014•053 - T E X T:
tralen Abschlussprüfungen vor der Tür.
Unsere erste entscheidende Prüfung, die
wir zusammen absolvieren, aber jeder
für sich bewältigen musste. Spätestens
ab diesem Zeitpunkt hätte jedem Einzelnen
klar werden sollen, dass ab jetzt die
individuelle Leistung entscheidend war.
Zurückblickend lässt sich sagen, dass
jeder hier von uns dieses Obstaculum
erfolgreich überwunden hat. Nur um direkt
im Anschluss eine weitaus schwierigere
Aufgabe zu lösen: (bedrohlich hauchend):
Das Abitur!
F: Es ist der Erfolg, der uns heute die
Freude bereitet, den Blick in die Zukunft
so hoffnungsvoll zu wagen, wie nie zuvor.
Das Schöne ist ja wirklich die offene Tür,
freie Auswahl.
P: Egal ob Länder oder Sprachen: Wir
sind mobil, manch‘ einer sogar sprachgewandt.
Ja, es ist schön und auch ein wenig
lustig in die Gesichter derer zu schauen,
die uns vorhin lautstark beklatschten, als
wir die Bühne betraten. Denn seien wir
ehrlich: Ob es ihnen gefällt oder nicht:
Sie müssen uns beklatschen. Mag ja sein,
dass sie eigentlich auch keine Zeit haben,
so wie wir, aber klatschen müssen sie,
wenn wir weg sind.
Dank der tatkräftigen Unterstützung
durch das Lehrpersonal des Dionysianums
sind wir mindestens einer, vielleicht
aber auch zweier oder gar dreier
Fremdsprachen mächtig.
F: Tja, die Welt steht uns offen heißt es
ja und wenn sie uns nicht weiter beklatschen,
könnten wir morgen vielleicht
schon weg sein. Und bitte, Kopf schütteln
und klatschen sind doch keine Manieren.
Wir brauchen ehrliche Anerkennung.
Gerade für eine Rampensau wie ihn (Patrick)
hier ist das ganz wichtig.
Als ich mich die letzten Jahre hin und
wieder Mal über die Methoden der einen
oder anderen Lehrkraft beschwert habe
- sowas kommt auch bei guten Arbeitgebern
vor -, fiel bei uns zu Hause immer
ein und derselbe Schlusssatz: „Pass auf!
Der Lehrer sitzt am längeren Hebel.“ Und
immer wieder dieser Satz, immer wieder
diese Floskel.
Aber Angesichts des bestandenen Abiturs
und des demografischen Wandels,
bin ich geneigt zu sagen, dass sich dieses
Verhältnis zu unseren Gunsten verschoben
hat. Und ich meine es so wie ich es
sage, schauen sie doch auf dieses Mikrofon.
Wer heute Abend im Besitz dieses
Mikros ist, hat doch auch schier unbegrenzte
Macht. Ui... er hat das Mikro, er
hat den Hebel, er hat die Macht. Aber
bitte, bitte, bitte, es ist doch nichts weiter
als eine kleine Spielerei, oder nicht? Oder
ist dies etwa kein Schauspiel? Ist es wirklich
kein Schauspiel, das uns etwa ironisch
oder grotesk anmutet, sondern ist
es etwa eine grausame Wahrheit, wie sie
nicht nur von mir, sondern vielleicht auch
von vielen meiner Mitmenschen auch als
eine solche empfunden wird?
P: (imitiert Marcel Reich Ranicki): Aber,
mein werter Freund, da müssen wir das
mal von der kritischen Seite betrachten.
Was soll ich sagen, diese Anschuldigungen
da… das ist alles falsch, schlecht und
übel, er zieht keinen Hebel, der Lehrer. Er
ist eine Vorzeigefigur, zu dem die jungen
Schüler herauf blicken können, um sie
mit seinem Wissen auszustatten: Ein Hüter
des Wissens.
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