2017•066 - T E X T:
Die letzten Krümel analysiert ein Experte
Rechtsmedizin in Münster untersucht mutmaßlichen Hasch-Kuchen / Betroffenheit und Ärger am „Dio“
Betroffenheit,
Ärger, Enttäuschung: Von der
üblichen guten Laune am
letzten Schultag vor den Ferien
war am Gymnasium Dionysianum
gestern Vormittag
nichts zu spüren. Kein Wunder:
Nachdem sieben Schüler
und zwei Lehrer sich nach
dem Verzehr eines mutmaßlich
mit Drogen manipulierten
Gebäcks in medizinische
Behandlung begeben mussten,
saß der Schock bei Schülern
und Lehrern noch tief.
Den Kuchen soll ein Schüler
der Q2 gebacken, mitgebracht
und in seinem Kurs
Mitschülern und Lehrern angeboten
haben.
„Im Moment gehen wir davon
aus, dass ein einzelner
dafür verantwortlich ist. Wir
werten das als Straftat. Wir
Schüler möchten damit auf
keinen Fall in Verbindung
gebracht werden und distanzieren
uns deutlich von so einer
Aktion“, sagte gestern
Vormittag Stufensprecherin
Antonia Fockers.
Die Ermittler bei der Polizei
gehen den Fall mit professioneller
Routine an. „Wir haben
noch kein komplettes
Bild. Es gibt einen Beschuldigten,
aber für ihn gilt bislang
auch die Unschuldsvermutung“,
sagte Jochen Laschke,
Sprecher bei der Kreispolizeibehörde
Steinfurt. Auch
die Lehrer Detlef Kühn und
Karin Schulz-Bennecke, die
gestern den erkrankten
Schulleiter Oliver Meer vertraten,
weißen trotz ihrer Betroffenheit
und Enttäuschung
über den Vorfall darauf
hin, dass sie sich erst
sachlich äußern können,
wenn es ein konkretes Bild
über Hergang, Beteiligung
und Motivlage gibt.
Die über Polizei und Schule
vermittelte Faktenlage
stellte sich bis gestern am
frühen Nachmittag wie folgt
dar: Die Polizei bestätigte,
dass Reste des Blechkuchens
gestern Morgen zur Analyse
ins Institut für Rechtsmedizin
nach Münster gebracht
wurden. „Es handelte sich
wohl um eine Backmischung,
von der allerdings
wohl nur etwas mehr als ein
paar Krümel übrig geblieben
sind“, sagte Laschke. Oberstaatsanwalt
Martin Botzenhardt,
Sprecher der Staatsanwaltschaft
Münster, rechnet
damit, dass ein klares Analyseergebnis
erst in frühestens
zwei Wochen zu erwarten
sei. Die Polizei hatte bis gestern
Vormittag noch keine
Möglichkeit, mit dem Beschuldigten
zu sprechen.
Gestern nahm er nicht am
Schulunterricht teil.
Nach Angaben der Schule
haben sich am Donnerstag
sieben Schüler und zwei Lehrer
in ärztliche Behandlung
begeben. Als einziger blieb
der Schulleiter bis gestern
unter ärztlicher Betreuung.
Er konnte nicht am Schulbetrieb
teilnehmen.
Nachdem eine Lehrerin
und Schüler in dem Q 2-Kurs
über Unwohlsein, Schwindel,
Schläfrigkeit und Übelkeit
klagten und es auf den Verzehr
des Kuchens zurückführten,
hatte der Schulleiter
den Schüler, der den Kuchen
mitgebracht hatte, zur Rede
gestellt. Der Schüler, der
nach Angaben bisher nicht
durch grenzwertiges Verhalten
aufgefallen sei, bot dem
Schulleiter an, den Kuchen
selbst zu probieren. Der
Schulleiter vertraute dem
Schüler und brauchte danach
medizinische Betreuung.
Einige Eltern der betroffenen
Schüler sollen der Schule
gestern ärztliche Atteste
vorgelegt haben. Demnach
seien im Körper ihrer Kinder
Abbauprodukte von Cannabis
nachgewiesen worden.
Die Polizei konnte diese Information
bis gestern Vormittag
nicht bestätigen.
Insgesamt habe die Elternschaft
„nicht aufgeregt und
recht besonnen“ reagiert,
sagte Kühn. Man sei indes im
Gespräch mit den Elternvertretern.
Elternvertreter und
der Stufensprecherin standen
gestern zusammen mit
Schulz-Bennecke und Kühn
Medienvertretern Rede und
Antwort. „Wir sind schon etwas
zornig. Nach aktuellem
Stand müssen wir davon ausgehen,
dass ein einzelner eine
Grenze überschritten hat“,
sagte Kühn. Die Frage, wie
die Schule auf den Vorfall reagiere,
werde die Schule zusammen
mit Elternvertretern
beraten. Sowohl Schüler als
Lehrer hoffen, „dass die
Schule durch diese Sache
nicht in ein falsches Licht gerückt
wird“, sagte Kühn. „Wir
haben hier, gerade auch in
dieser Stufe, ganz viele tolle
Schüler, die sich auch immer
für die Schule einsetzen. Wir
haben tatsächlich ein anderes
Bild von dieser Stufe. Das
deckt sich in keiner Weise
mit der aktuellen Wahrnehmung
in der Öffentlichkeit.“
Viele Schüler beteiligten sich
aktiv an Schulangeboten, die
vor den Gefahren von Drogen
und Alkohol warnen.
Kühn ging auch auf Meldungen
in sozialen Netzwerken
ein. Dort hatten Gerüchte
die Runde gemacht, dass
es sich bei dem mutmaßlichen
Drogen-Kuchen um einen
gemeinsamen Abi-
Scherz von Emsland- und
Dio-Schülern gehandelt habe
solle. „Eine Beteiligung von
Schülern des Emsland-Gymnasiums
sehen wir nicht“,
sagte Kühn.
Die Schule werde zunächst
einmal das Ergebnis der polizeilichen
Ermittlungen abwarten.
„Die strafrechtliche
Relevanz ist eine Sache. Ob
gegebenenfalls schulrechtliche
Konsequenzen folgen, ist
ein zweiter Schritt und erfolgt
in Absprache mit der
Bezirksregierung in Münster.
Danach überlegen wir, wie
die Schule pädagogisch damit
umgeht“, sagte Schulz-
Bennecke.
Auf die landesweite Berühmtheit
durch den „Haschkuchen
am Gymnasium“, wie
es in vielen auch überregionalen
Medien hieß, hätte die
Schule wohl gerne verzichtet.
MV vom 08.04.17
|
|