2017•082 - T E X T:
Zerbrechliche Strukturen in Osteuropa
Direktor des Institutes für Terrorismusforschung hielt ein Vortrag am Gymnasium Dionysianum
Auf Einladung der
Gesellschaft für Sicherheitspolitik
referierte Dr. Kai
Hirschmann, ziviler wissenschaftlicher
Mitarbeiter der
Bundeswehr, Hochschullehrer
für Politische Wissenschaft
der Universität Bonn
und Stellv. Direktor des Instituts
für Terrorismusforschung
und Sicherheitspolitik
in Essen vor ca. 160 interessierten
Zuhörern, darunter
auch ca. 90 Oberstufenschülern,
zu zerbrechlichen
Staatsstrukturen in Osteuropa.
Um die Ursache der staatlichen
Zerbrechlichkeit zu
verstehen, erläuterte er zunächst
die Grundlagen für
ein funktionierendes und
handlungsfähiges Staatswesen.
Dem gegenüber stellte er
Faktoren dar, die zu einem
fragilen Staat führen.
Mit Blick auf das Gebiet der
ehemaligen Sowjetunion
machte er deutlich, dass viele
Staaten dort nicht auf ethnischen,
sprachlichen oder historischen
Grenzen aufbauen,
sondern auf früheren administrativen
Verwaltungsgrenzen.
Daher spielten Zuordnungen
von Landesteilen -
wie z.B. die Schenkung der
Krim (1954) oder Teilen der
heutigen Ostukraine (1922)
an die Ukraine - innerhalb
dieser Verwaltungsgrenzen
keine wirkliche Rolle innerhalb
der zentral aus Moskau
geführten Sowjetunion.
An den Beispielen Moldawien,
Transnistrien, Armenien,
Abchasien, Südossetien
und der Ukraine erläuterte
er, das dass Konfliktpotenzial
aufgrund bestehender
ethnischer, sprachlicher, religiöser,
aber auch wirtschaftlicher
Unterschiede innerhalb
dieser Regionen
weiterhin besteht. Diese
Konflikte sind derzeit in keiner
Weise gelöst, sondern
nur „eingefroren“. Mit Blick
auf die Politik Putins, aber
auch die der Europäischen
Union, machte er deutlich,
dass das Konfliktpotenzial in
Teilen auch instrumentalisiert
wird, um mittel- und
langfristige eigene Machtund
Wirtschaftsinteressen
durchzusetzen.
Dr. Hirschmann plädierte
in seinem Fazit dafür, bei
der Suche nach Problemlösungen
nicht starr an bisherigen
Grenzziehungen festzuhalten,
sondern ethnische,
sprachliche sowie religiöse
Zusammenhänge zu berücksichtigen.
Notwendig sei es,
den in diesen Krisenregionen
lebenden Menschen in
demokratischer Selbstbestimmung
zu ermöglichen,
neue Formen von Staatlichkeit
zu suchen. Dies könne
über neue wirtschaftliche
oder politische Föderationen
in unterschiedlichen Ausprägungen
bis hin zu neuen
Staatsgrenzen entlang der
ethnischen, religiösen oder
sprachlichen Grenzlinien geschehen.
Solche Prozesse
können allerdings nur erfolgreich
gestaltet werden,
wenn der Wille der dort lebenden
Bevölkerung nicht
durch manipulative Einflussnahme
von außen zur
Durchsetzung eigener Interessen
beeinflusst wird.
MV vom 15.11.16
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