2017•083 - T E X T:
„Weg mit strukturellen Barrieren“
FDP setzt in der Bildungspolitik auf das Thema Digitalisierung
Was sind die entscheidenden
Voraussetzungen
für einen Geistesblitz, für
einen genialen Gedanken.
Kreide und Tafel? Bleistift
und Papier? Oder Laptop
und Breitbandanschluss?
Weder noch. Es braucht einen
denkenden, einen nachdenkenden
Menschen. Und
was brauchen wir, um beim
jungen Menschen den Geist
zur Entfaltung zu bringen?
Vor allem eins, weiß Oliver
Meer: „Geduld.“
„Geduld“ – mit diesem einzigen
Wörtchen setzte der
Schulleiter am Gymnasium
Dionysianum zum Abschluss
der Veranstaltung „Raus aus
der Kreidezeit – Digitalisierung
an NRWs Schulen“ kurz,
knapp und präzise einen
pointierten Kontrapunkt.
Pointiert deshalb, weil zuvor
Moderator Linus Stieldorf
und Veranstalter Jan-Frederik
Kremer, beide von der
FDP-nahen Friedrich Naumann
Stiftung, jung-dynamisch
mächtig Dampf machten.
Ihr Mantra: In Deutschland
geht vieles zu langsam,
wir stehen im Stau, wir brauchen
Bewegung – und im Bildungsbereich
braucht es einen
digitalen Paradigmenwechsel.
Ganz vereinfacht
lautete die Botschaft: Raus
mit Kreide, Tafel und Buch,
rein mit Breitband und Tablets
für alle Schüler.
So geht das also: Gebt ihnen
schnelles WLan, dazu einen
gut funktionierenden
Laptop – und Deutschlands
Schüler katapultieren sich an
die Spitze der weltweiten
Leistungselite? Wohl kaum.
Nicht jede neue Entwicklung
gehöre gleich ungefiltert in
die Schule. Aus pädagogischer
Sicht müsse nicht immer
alles gleich alles auf den
Kopf gestellt werden, rät
Meer.
Modernitätsverweigerung?
Mitnichten. Wie Lehrer an
vielen anderen Schulen hält
auch Meer wenig davon,
ständig „Beamer und PC‘s
durch die Räume schlören“
zu müssen. Die digitale Klasse
könne durchaus ein geeignetes
Instrument für den Unterricht
sein. Voraussetzung
sei aber eine leistungsstarke,
gut gewartete Infrastruktur.
Allein die Breitband-Anforderung
für das Gymnasium
Dionysianum sei in etwa mit
der eines mittleren Unternehmens
zu vergleichen.
„Scheitert es am Geld?“,
fragte Moderator Stieldorf.
Keinesfalls, meint Yvonne
Gebauer: „Geld ist immer da,
die Frage ist nur, wofür man
es ausgibt“, sagte die bildungs-
und schulpolitische
Sprecherin der FDP-Fraktion
im Düsseldorfer Landtag. Die
Digitalisierung habe schon
mit Geld zu tun. „Das allerdings
ist noch nicht bei allen
angekommen“, sagte Gebauer.
Deshalb mache die FDP
hier Druck. Das Geld müsse
vom Bund über die Länder in
die Kommunen fließen.
Bund, Länder, Kommunen.
Kompliziertes Thema. Martin
Hüppe, Geschäftsführer des
Didacta Verbands der Bildungswirtschaft
und Leiter
der Geschäftsstelle Bündnis
für Bildung sprach hier von
„strukturellen Barrieren, die
weg müssen“. Der Grund:
„Die Steuerüberschüsse fallen
am stärksten beim Bund
an, dann bei den Ländern,
am geringsten und ungleichmäßigsten
bei den Kommunen.
Kurzum: Geld ist da,
aber wir haben eine Blockade
im System.“ Elternvertreter
Michael Gastmann regte
in der Frage der Digitalisierung
bei der sachlichen Ausstattung
eine Zentralisierung
an. „Es muss doch nicht sein,
dass im Bildungssektor jedes
System seinen eigenen Weg
beschreiten muss, das bindet
doch viel zu viel Kraft.“ Das
war Wasser auf die Mühlen
von Hüppe. Während er bei
der „inneren Pädagogik“ Wert
auf Freiräume lege, empfehle
er für die Ausstattung Standards.
„Die Kommunen sollten
digitale Strategien entwickeln.
Zusammen mit den
Schulen sollten sie überlegen,
wie man zu standardisierten
digitalen Ausstattungen
kommt. Jede Schule sollte
dann aber selbst entscheiden,
ob sie eine Computerecke
einrichtet oder sich für
das Modell ‚bring your own
device‘ entscheidet“. Letzteres
heißt, dass die Schüler mit eigenen
Endgeräten in der
Schule arbeiten.
MV vom 01.12.16
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