2019•093 - T E X T:
Dr. Ingmar Winter
Aufsatzthemen der Oberstufe als Hinführung zur nationalsozialistischen „Reife“
(1933-1942)
1. Anlass und Kategorien
Die Arier sind nach Adolf Hitler die „kulturschöpferische Rasse“, wie er in seiner ideologischen
Programmschrift „Mein Kampf“ (2 Bde., VI. Aufl., Verlag Franz Eher Nachf.,
München 1930, S. 319) schreibt: „Am deutlichsten sehen wir dieses an der Rasse, die
Träger der menschlichen Kulturentwicklung war und ist – an den Ariern“ (S. 322). Die
Erziehung zu diesem Ziel geschah in den deutschen Schulen.
Veronika Jüttemann hat in ihrem grundlegenden Aufsatz „Politik im Klassenzimmer“
über die „Abituraufsätze im Fach Deutsch am Gymnasium Dionysianum in der Weimarer
Republik und im Dritten Reich“ (Festschrift zum 350-jährigen Jubiläum des
Dionysianums, Tecklenborg Verlag, Steinfurt 2009, S. 116-137) die Themen, Inhalte
und Aussagen der Abituraufsätze von den Anfängen des Nationalsozialismus bis zum
Kriegsende vorgestellt und ausgewertet. Die großartige Auflistung und Auswertung
der Themenstellung ergeben das Ziel erzieherischer Doktrin, geben aber nicht den
pädagogisch indoktrinären Weg zum Abitur preis.
Dieser mein Aufsatz versteht sich als Ergänzung des Jüttemann-Aufsatzes, er zeigt die
„pädagogische Arbeit“ der Deutschlehrer am Dionysianum während des Nationalsozialismus
auf, die im Unterricht als je zwischenzeitliche Lernkontrolle in den Aufsatzthemen
grundgelegt wird. Der Beginn nationalsozialistischer Erziehung begann in der
Sexta, die Hinführung zur „Reife“ im Laufe der Oberstufe. Ich habe die Aufsatzthemen
nach den im Folgenden aufgeführten Kategorien untersucht, vom Schuljahr 1933/34
bis zum Schuljahr 1940/41 in der Bezeichnung UI bis O I in den gymnasialen und
realgymnasialen Zweigen (vgl. Jb 1940/41, S. 27), dann als Oberstufe 7. und 8. Klasse
der „Oberschule für Jungen“ (vgl. Schemata). Folgende 9 Kategorien mit den angegebenen
Unterthemen, nach denen die Aufsatzthemen durchforscht wurden, werden hier
vorgestellt und mit je einem Aufsatzthema am Beispiel des Jahrganges 1935/36 (als
Grundlage der Betrachtung) vorgestellt.
1. Krieg wird sowohl
als grundsätzliches Phänomen in die unterrichtliche Thematik gesetzt, allerdings literarisch
„verpackt“ („Der Krieg vom Standpunkt des Soldaten, Bauern und Mönchs in
‚Wallensteins Lager‘“, OIg) und als Gedenken („Die Kriegergedächtnisstätten meiner
engeren Heimat“, OIg).
2. Literatur wird in vier Aspekten angesprochen:
a) als Werkanalyse („König Ödipus‘ und ‚Die Braut von Messina‘ – Ein Vergleich“, OIrg),
als Zitat-Analyse („Das bürgerliche Trauerspiel ‚Kabale und Liebe‘, ein Spiegel seiner
Zeit“, OIIg), als Besinnungsaufsatz auf der Grundlage eines Dichterwortes („Gelten
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