2015•097 - T E X T:
würde er „die Kugeln pfeifen hören … Ich
kann und darf draufgehen“ für das „Vaterland“,
„das größte Volk der Erde“. Im Juli
1915 wurde Rosenstengel zum Strafgefangenenlager
Neuenkirchen-Land (heute
St. Arnold) abkommandiert, ging Ende des
Sommers aber wieder ins Sennelager.
Dort erreichte ihn der nächste Brief seines
Schulleiters.
Dr. Anton Führer den 8. Okt. 15.
Gymnasialdirektor
Rheine i. W.
Lieber Herr Kollege !
Besten Dank für Ihren freundlichen Gruß und das schöne Gruppenbild, auf dem Sie noch
gar so sehr leidend aussehen. Jedenfalls ertragen Sie Ihr Geschick recht würdig. Aber ich
glaube gern, daß Sie in Ihrer jetzigen Stellung und Tätigkeit nicht zu beneiden sind, und ich
finde es nach den Schilderungen in Ihrem ausführlichen Brief, für den ich ebenfalls recht
herzlich danke, recht begrifflich [sic!], daß Sie weit lieber in der Front oder im Schützengraben
wären, Aber Sie müssen sich mit dem Gedanken trösten, daß Sie auch jetzt im Dienste
unseres Vaterlandes stehen. Kürzlich war mein Sohn Hermann, der Armierungssoldat, auf
Urlaub hier und erzählte von seinem Leben. Glauben Sie es, diese Armierungssoldaten sind
die bedauernswertesten von allen, die jetzt dem Vaterlande dienen; Behandlung, Verpflegung,
alles zum Erbarmen, mehr als traurig. Gebe Gott, daß der Krieg bald für uns alle zu
einem guten Ende kommt !
Von unseren anderen Söhnen habe ich gute Nachricht. Mein ältester (Anton) hat als Beobachtungsoffizier
bei den Fliegern im Osten ein hochinteressantes Leben und schreibt äußerst
schöne Briefe. Zufällig hat er auch meinen jüngsten Sohn Julius dort einmal getroffen,
und gestern erhielt ich von ihm folgendes Telegramm: „Habe Norbert in Kosovo getroffen,
Norbert erhielt Anfang August als Gefreiter das Eis. Kreuz u. ist jetzt Unteroffizier.“ Davon
wußten wir nichts, weil N. wenig schreibt.
Nun etwas anderes ! Das KprSchK (Königliche Preußische Schulkollegium) teilt mit, daß das
Generalkommando im VII.A.K. (Armeekommando) sich bereit erklärt hat, nicht felddienstfähige
Lehrer dem Schuldienste zurückzugeben, wenn andere, felddienstfähige zur Verfügung
gestellt werden. Nun streng vertraulich ! Ich habe daraufhin das KprSchK. gebeten, Sie als
nur garnisonsdienstfähig für unsere Anstalt zurückzuerbitten ! Ob es hilft, weiß ich freilich
nicht, ob es Ihrem Wunsche entspricht, auch nicht, aber ich habe es getan und will das Weitere
abwarten. Nun schimpfen Sie nicht, sondern warten Sie ebenfalls ruhig ab.
Dieser Tage kam eine Karte v. Tinnefeld aus dem Sennelager; wenn Sie ihn sehen, bitte ich
ihn zu grüßen.
Meine Frau und Töchter erwidern Ihre Grüße bestens.
Leben Sie recht wohl und seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem ergebensten
Dr. Führer
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